Ein ehemaliger Dozent von mir sagte einmal, dass es keine Anti-Kriegsfilme gäbe, da jeder Film der die Dramatik des Gefechts zeige, ja immer den Krieg darstelle. Ein wahrer Anti-Kriegsfilm dürfte demnach das Gefecht nicht zeigen, müsste sich auf zerstörte Gebäude, abgerissene Gliedmaßen, traumatisierte Gesichter und politische Hintergründe konzentrieren die erläutern wie es zu den Kampfhandlungen kam. – Eine andere, nicht weniger strittige Betrachtung ist die, ob und wie Veteranen geehrt/gedacht werden kann. Unter Einsatz ihres Lebens sind sie für bestimmte Werte eingetreten. Gleichzeitig für Werte die den wahren Grund ihres Kampfes (Landgewinn und spätere Kapitalakkumulation) verschleiern. Außerdem können sie ein anderes Leben genommen und mehr oder weniger eindeutig Kriegsverbrechen begangen haben. Kriegsveteranen befinden sich in ihrer gesellschaftlichen Stellung in einer seltsamen Position; auch mit Auszeichnungen und Orden versehen haben sie ihr gesellschaftliches Antlitz verwirkt, ihre Würde ist vielleicht unantastbar aber sie ist angekratzt. »Warfare« (2025) von Alex Garland und Ray Mendoza ist ein Spielfilm der mitten in diese beiden Auseinandersetzung wirkt. Er reiht sich ein in Filme wie bspw. »Black Hawk Down« (2001), »Jarhead« (2005), und »Lone Survivor« (2013), Filme die besonders realistisch über die alltäglichen Extreme von US-Soldaten im Einsatz (nach)erzählen sollen. Haben der erste und der letztgenannte Film die Evakuierung einer kleinen Truppe Soldaten aus einer Situation in der der Gegner in der Übermacht ist als Kern der Handlung, erzählt »Jarhead« von dem genauen Gegensatz: der Langeweile und der ausbleibenden Befriedigung sich mit seinen Kameraden in den Kampf zu stürzen. »Warfare« erzählt eine Art Mix dieser grundverschiedenen Situationen und der Plot lässt sich verkürzt so darstellen, dass eine Gruppe US-Soldaten in einem zivilen Gebäude im Irakkrieg im Jahre 2005 erst langwierige Aufklärung betreibt und dann von der einen auf die andere Sekunde angegriffen und sich aus dem Gebiet evakuieren muss. In einem Punkt unterscheidet sich »Warfare« von den drei genannten artverwandten Filmen. Bei vielen Kriegs und Anti-Kriegsfilmen macht es trotz der Dramatik und Tragik Spaß einer Gruppe Männer dabei zuzusehen, wie sie versuchen unter widrigsten Umständen zu funktionieren, unter allen Umständen kameradschaftlich sein wollen und unter keinen Umständen das Ziel ihres Auftrages fallen lassen wollen. Auch bei »Warefare« regt sich diese Einschätzung – bleibt man bei dem ersten Eindruck den der Trailer vermittelt und der Tatsache, dass der Co-Autor und Regisseur Ray Mendoza nicht nur ein realer Veteran ist, sondern auch an hoch budgetierten Special-Operation-Porno wie »Act of Valor« (2012) oder der Videospielreihe »Call of Duty« mitgearbeitet hat, die kurz zusammengefasst hübsch gestaltete Werbung für das US-Militär und Krieg ist. – Ob durch Mendoza’s über die Jahre entwickelte Reife oder seine Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Drehbuchautor und Regisseur Alex Garland; mit »Warfare« ist es ihnen gelungen einen Kriegsfilm zu drehen der keinen ‚Spaß‘ macht, sondern seinen Unterhaltungswert aus der intellektuellen und sinnlichen Tour de Force schöpft. Garland und Mendoza entledigen sich jeder romantisch, militärischen Ausschmückung und bedienen sich eines Kniffs. Denn sie erzählen zwar einen Kriegsfilm, bedienen sich aber beim stilgebenden Motiv des Horrorfilms, speziell des Haunted House. Der Gegner, Kämpfer von Al-Qaida, sind in jeder Sekunde des Filmes übermächtig. Man sieht keinen der Gegner fallen – die großkalibrigen Waffen, Panzer und Jets scheinen gegen sie wirkungslos. Die Autoren trauen sich die Radikalität mit Ausnahme der Information über den Ort und die Zeit ohne weiteren Kontext zu erzählen. Was sie mit dieser Reduzierung des Rahmens erreichen ist eine Fokussierung auf die Situation und das Schauspiel. Die Besetzung des zivilen Hauses durch die US-Soldaten wird derart erzählt, dass die irakischen Familien (die sich das zweistöckige Haus teilen) nachts in einem Überfall aus dem Schlaf und aus ihren Betten geholt werden. Während der anschließenden Aufklärung für die das Haus missbraucht wird halten sich die Soldaten still in den Zimmern auf. Funksprüche mit dem Hauptquartier und der Luftaufklärung werden ausgetauscht, während ein Scharfschütze mit seinem zweiten Mann durch ein in die Außenwand geschlagenes Loch den Häuserblock ausspäht. Gezeigt werden die hochfunktionalen Handlungen, Codes und Abkürzungen der Soldaten. Mit der Explosion einer Granate in der Stellung des Scharfschützen endet die bedächtige Atmosphäre und wird von dem Chaos des Angriffs abgelöst. Die erste Evakuierung durch ein Kettenfahrzeug schlägt fehl, da ein Sprengsatz detoniert und die Vorhut buchstäblich auseinanderreißt. Die Zeit bis zur zweiten Evakuierung erzeugte durch das hervorrage Schauspiel, die Bildgestaltung und das herausragende Sound Design bei mir als Zuschauer im Kinosaal körperlichen Stress. Kurz bevor die zweite Evakuierung erfolgreich ist, stürmt die Mutter einer der irakischen Familien zu den Soldaten und fragt sie „Warum? Wozu das alles?“ worauf sie keine Antwort erhält, denn die politischen Gründe oder Zielvorgaben des Führungsstabes sind für die Männer im Kugelhagel längst vergessen. Garland und Mendoza erzählen von Soldaten die bereits durch die Explosionen vor Ort traumatisiert und paralysiert kaum einer Handlung nachgehen können, sie erzählen von Soldaten die auf die noch nicht zur Gänze abgetrennten Gliedmaßen ihrer Kameraden treten um ein Ventil für den Horror zu haben und sie erzählen von Soldaten die bei der ersten Gelegenheit ihre Kameraden im Stich lassen um ihre eigene Haut zu retten oder ihre irakischen Verbündeten als Kanonenfutter vorschicken. Die Sinn und Sprachlosigkeit, die gezeigten Schwächen der Soldaten und die vermittelte Dominanz ihrer Feinde passen nicht in das ansonsten glänzende Selbstbild des US-Militärs. »Warfare« ist ein Film von u.a. Veteranen der durch seine radikale Einlassung auf Details desillusionierend auf heroisch, ideologisch gesponnen Vorstellungen des als Sinn und wertvoll beworbenen Krieges wirkt. Diese Desillusionierung besser vor als nach dem Einsatz zu erfahren zeigt die zur Gesamtbevölkerung der USA höhere Suizidrate bei Veteranen. Und dass dieses gestiegene Risiko des Suizids bei Veteranen ausgerechnet dem amtierenden Präsidenten der USA unwichtig erscheint lässt die Kampfhandlungen umso mehr als einen… ‚schlechten Witz‘ erscheinen.1
https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-veteranenministerium-entlassungen-102.html